Das steckt hinter der Zinswende

Im Juni 2022 stand der durch die Europäische Zentralbank (EZB) festgelegte Leitzins noch bei 0 Prozent – seitdem folgte eine Erhöhungswelle in bisher unbekanntem Ausmaß. Zur jüngsten der bisher sieben Zinssteigerungen kam es im Mai 2023, als die EZB den Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent erhöhte. Und nach Ansicht vieler Experten ist das noch nicht das Ende der Entwicklung: Mindestens ein weiterer Zinsschritt wird in nicht allzu ferner Zukunft erwartet.

Der Grund für diese Zinswende: Die Anhebung des Leitzinses soll die Inflation eindämmen, die seit dem Krieg in der Ukraine weit oberhalb der von der EZB angestrebten 2,0 Prozent liegt. Im Oktober 2022 lag die Preissteigerung bei 10,4 Prozent, im April 2023 pendelte sich die Inflationsrate bei 7,2 Prozent ein.

Das Prinzip hinter dieser Strategie ist einfach: Die Anhebung des Leitzinses verteuert für Geschäftsbanken die Geldausleihe und hat eine Verknappung der Geldmenge zur Folge. Die Kostenerhöhung geben die Finanzinstitute an die Verbraucher und die Unternehmen weiter. Dadurch werden die Kredite auch für Firmen teurer, die sich dementsprechend weniger Geld leihen und weniger investieren.

Auf der anderen Seite steigt die Sparrate, da Geldanlagen wieder höher verzinst werden. Das bremst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und damit in der Regel auch den Preisanstieg, da Angebot und Nachfrage sich ändern und einen neuen, in diesem Fall niedrigeren Preis zur Folge haben.

Die Nachteile der Zinserhöhung

Die starke Anhebung des Leitzinses in Rekordzeit birgt allerdings einige Risiken für Unternehmen. Wie bereits erwähnt, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und das könnte für Firmen, die schon vorher über eine geringe Bonität verfügten, zum Problem werden.

Bereits 2022 war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Europa teils deutlich angestiegen. Im Februar 2023 haben die deutschen Amtsgerichte 1.362 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das bedeutet einen Anstieg um 20,3 Prozent gegenüber dem Februar 2022. Und Experten wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) erwarten für den Rest des Jahres 2023 noch zahlreiche Unternehmensinsolvenzen in Deutschland.

Und auch auf die Aktienkurse börsennotierter Unternehmen wirken Leitzinserhöhungen erfahrungsgemäß zunächst negativ, da Aktien als Investition gegenüber einer Sparanlage bei steigenden Zinssätzen an Attraktivität verlieren. Zudem wird eine Finanzierung von Aktieninvestitionen teurer.

Die Leitzinserhöhung wirkt sich darüber hinaus auf die Bilanzen der Unternehmen aus. Mit den Zinsen steigt die Gefahr von Wertberichtigungen an. Demnach könnte der Zeitwert der Geschäfts- oder Firmenwerte sinken.

Vor allem die Bauwirtschaft ist von der Leitzinserhöhung negativ betroffen. Seit Januar 2022 haben sich die Bauzinsen von knapp einem Prozent auf etwa vier Prozent erhöht, das macht einen Immobilienerwerb für viele Investoren und andere Interessenten unerschwinglich. Die Auftragslage hat sich seitdem deutlich eingetrübt.
 


Wie können Unternehmen auf den aktuellen Leitzins reagieren?

Entscheidend wird der weitere Verlauf der Zinsentwicklung sein. Experten halten einen moderaten Anstieg für wahrscheinlich, doch irgendwann wird der Gipfel erreicht sein – spätestens, wenn die Inflation deutlich sinkt oder die Konjunktur stärker als befürchtet einbrechen sollte. Ein professionelles Zinsmanagement dürfte für Unternehmen deshalb von entscheidender Bedeutung sein. Wer jetzt Kredite aufnehmen möchte oder muss, kann beispielsweise versuchen, Darlehen mit variablen Verzinsungen abzusichern. Finanzierungsinstrumente wie Derivate oder auch öffentliche Förderprogramme können ebenfalls helfen, die Zinserhöhungen abzufedern.

Eine Alternative zu weiteren Kreditfinanzierungen ist die Stärkung der Eigenkapitalquote. Bei diesem Vorhaben können Plattformen wie die Beteiligungsbörse helfen. Sie wendet sich vornehmlich an Mittelständler, um seriöse Eigenkapitalgeber zu vermitteln und unterstützt mit moderner Technologie und persönliche Betreuung beim kompletten Prozess.