Die Lage: Zehntausende Fahrerstellen sind unbesetzt

Statt zu auf den Straßen zu rollen, stehen viele Brummis still. Der Grund sind personelle Kapazitätsengpässe im deutschen Straßengüterverkehr. Deshalb werden in vielen Unternehmen dringend, aber oft vergeblich Lkw-Fahrer gesucht.

Mittlerweile herrscht in dem Metier offiziell Fachkräftemangel. Das zeigt die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit. Die sortiert alle Berufsgruppen nach einem Schema, das bis zu 3,0 Punkte reicht. Ab einem Wert von 2,0 ist von einem Engpassberuf die Rede. Für Berufskraftfahrer im Bereich Güterverkehr/Lkw ergeben sich 2,2 Punkte.

Wie die Lage konkret aussieht, zeigt die Konsortialstudie „Begegnung von Kapazitätsengpässen im Straßengüterverkehr – Fokus Personal“ von Anfang 2023. Auf den Punkt gebracht lautet das Ergebnis: „Für das Jahr 2022 kann mit einem Mangel von insgesamt 53.000 Fahrerinnen und Fahrern, für 2023 mit 70.000 gerechnet werden.“

Das liegt auch daran, dass in den vergangenen Jahren deutlich mehr Berufsfahrer in Rente gegangen sind als nachrückten. Dazu passt die Meldung des Statischen Bundesamtes vom Frühjahr 2022, dass mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Fahrer mindestens 55 Jahre alt war.

Zu den Folgen des Mangels an Fahrpersonal gehört laut Konsortialstudie auch eine Kostensteigerung im Straßengüterverkehr von sieben bis acht Prozent. Hinzu kommen zusätzliche Ausgaben aufgrund von höheren Lagerbeständen und für administrative Prozesse. Summa summarum führt der Mangel an Fahrpersonal im gesamten Wirtschaftsbereich Logistik zu Mehrkosten von rund drei Prozent. Die deutsche Wirtschaft belastet dies mit etwa zehn Milliarden Euro.
 

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Die Ursache: Darum bleiben viele Führerhäuser leer

Wie konnte es so weit kommen? Aus einer Reihe von direkten und indirekten Gründen. Dazu zählt beispielsweise ein schlechtes Image des Berufs. So gilt in der Öffentlichkeit die Bezahlung als unzureichend, ebenso die allgemeine Wertschätzung der Tätigkeit. Auch das nähere Arbeitsumfeld wird mit Nachteilen verbunden, wie beispielsweise eine schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Ton in der Branche wird meistens als sehr rau wahrgenommen.

Autonomes Fahren oder alternative Antriebstechnologien sorgen beim potenziellen Nachwuchs für Zukunftsängste. Streng getaktete Lieferanforderungen sowie eine Arbeitsbelastung mit bis zu 60 Stunden pro Woche wirken sich gleichfalls negativ auf das Interesse aus. Hinzu kommen Staus, Baustellen oder Parkplatzmangel. Diese und weitere Faktoren machen – auch in Wechselwirkung – den Job nach außen unattraktiv.

Zu Unrecht, wie Studienautor Thorsten Schmidt meint: Das angeschlagene Bild in der Öffentlichkeit „konnten wir in einer Umfrage mit Hunderten Fahrern nicht bestätigen. Die meisten lieben ihren Job!“ 90 Prozent wollen den Beruf nicht wechseln. Allerdings stören sich viele an den damit verbundenen, bereits genannten Begleiterscheinungen.

Die Lösung: Das hilft gegen den Mangel an Lkw-Fahrern

Der Fachkräftemangel hinter dem Steuer hat sich für die Logistik-Branche zu einem immer größer werdenden Problem entwickelt, das mittlerweile die Versorgungssicherheit bedroht. Neue Lkw-Fahrer wurden zwar gesucht und gefunden innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Doch diese Lösung reicht nicht mehr aus, denn die personellen Engpässe haben längst ein globales Ausmaß angenommen und die Nachfrage weiter erhöht.

Wegen der zahlreichen Ursachen der Misere und ihrer weitreichenden Folgen gibt es dafür nicht die eine Lösung. Werden Lkw-Fahrer gesucht, gilt es deshalb, an mehreren Stellen anzusetzen. Auch dazu lässt sich die Studie aus und fordert folgende politische Maßnahmen.
 

  • Bau von mehr Park- und Rastmöglichkeiten
  • ausgeweiteter Einsatz von Lang-Lkw
  • Führerschein mit 17
  • geförderte Image- und Ausbildungsinitiative
  • vereinfachte Berufsanerkennung von Fahrpersonal aus Drittstaaten
     

Die Empfehlungen der Studienautoren für die Unternehmen sind:
 

  • Bereitstellung von Vorladeequipment
  • bessere Abstimmung untereinander hinsichtlich von Transportmengen
  • mehr Predictive Maintenance
  • eine fahrerzentrierte Einsatzplanung
  • Driver Officer als zentraler Ansprechpartner für alle Belange der Lkw-Fahrer
  • Ausbildungsinitiative
  • Social-Media-Marketing
  • intensivierte Personalsuche im Ausland
  • Fahrer-wirbt-Fahrer-Prämie

Die prekäre Lage führt dazu, dass Betriebe ihre Bemühungen um neues Personal vermehrt in einer Abteilung bündeln, die Effizienz und Effektivität im HR-Bereich optimieren soll. Dazu gehört auch, potenzielle Kräfte hinsichtlich der Lkw-Fahrerausbildung zu informieren und zu begleiten.

Die offizielle Bezeichnung lautet Berufskraftfahrerqualifikation. Die brauchen alle neuen gewerblichen Bus- und Lkw-Fahrer. Kernstück ist die sogenannte Grundqualifikation. Diese sieht zunächst eine schriftliche, vierstündige Prüfung vor. Die Inhalte ergeben sich aus der „Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer/zur Berufskraftfahrerin“. Außerdem sind eine praktische Fahrprüfung und eine Gesundheitsprüfung zu bestehen.

Verpflichtend ist dieses Prozedere für jene, die noch keine Fahrerlaubnis für Lkw haben oder diese nach dem 10.9.2009 erhielten. Wer sie bereits vorher bekam, braucht keine Grundqualifikation. Unabhängig davon ist eine Weiterbildung nach fünf Jahren für alle Lkw-Fahrer bindend.