Indien: Größter Reisexporteur verhängt Ausfuhrverbot

Im Juli 2023 stoppte die indische Regierung den Außenhandel mit weißem Reis. Auslöser waren starke Regenfälle, die im Herbst 2022 in dem Land niedergingen und der Getreidesorte arg zusetzen. Deshalb fiel die Ernte geringer aus als erwartet. Nach Angaben des indischen Lebensmittelministeriums wurde die Ausfuhr von weißem Nicht-Basmati-Reis vorläufig beendet, um die eigene Bevölkerung ausreichend und erschwinglich mit dem dortigen Grundnahrungsmittel zu versorgen: Seit Oktober 2022 waren die inländischen Reispreise um etwa ein Drittel angestiegen.

Doch die Entscheidung ist auch von erheblicher globaler Bedeutung, denn Indien baut mehr als 40 Prozent der weltweiten Menge an Reis an. Gemessen am Absatz von 2022 fehlt damit rund ein Viertel der üblichen Exporte des Landes auf dem internationalen Markt. So berichten es zumindest offizielle Quellen.

Die Nachrichtenagentur Reuters geht von einem noch größeren Abfluss aus. Sie hat errechnet, dass rund zehn Millionen Tonnen der betroffenen Sorten weißer Reis und Bruchreis fehlen. Das wäre gut die Hälfte der insgesamt 22 Millionen Tonnen an Exportreis, welche Indien im Jahr 2022 in 140 Länder verkaufte. Der geschätzte weltweite Reishandel belief sich damals auf 56 Millionen Tonnen. Übrigens: Für indischen Bruchreis besteht bereits seit September 2022 Exportverbot. Das lag an einer Hitzewelle im Land, deren Folgen rund 13 Prozent der Reisernte vernichteten.

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Reispreis steigt deutlich an

Die Konsequenzen der Reisknappheit zeigten sich schnell. Im Juli 2023 erreichten die Handelspreise auf internationalem Parkett für Reis den höchsten Stand seit fast 15 Jahren. Besonders spüren das die rund drei Millionen Menschen, für die Reis ein wesentliches Lebensmittel ist. Viele davon leben in Asien und Afrika. Einem BBC-Bericht nach stammt laut International Food Policy Research Institute (Ifpri) mehr als die Hälfte der Reisimporte für rund 42 Länder aus Indien. Und in vielen afrikanischen Staaten übersteigt der Marktanteil Indiens bei Reisimporten 80 Prozent.

Damit ist für sie der Lieferstopp ein weiterer schwerer Schlag. Denn der afrikanische Kontinent leidet bereits stark unter den abgeebbten Getreidelieferungen aus der globalen Kornkammer Ukraine, die wegen des russischen Angriffs deutlich weniger liefern kann als vor dem Krieg. Ob sich das alles zu einer internationalen Lebensmittelkrise verfestigt, ist derzeit noch nicht absehbar.

Ein Mangel an Reis könnte aber Auswirkungen auf die Preise von Weizen, Sojabohnen und Mais haben, die als Reisersatz sowohl für den menschlichen Verzehr als auch in Tierfutter verwendet werden. Und auch ein Dominoeffekt auf die Preise von ethanolhaltigen Kraftstoffen aus Getreide ist möglich.

Klar ist jedoch, wer von ansteigenden Preisen profitiert. Das sind andere große Reisanbieter wie Thailand und Vietnam oder – in geringerem Maße – Pakistan und die USA. Allerdings werden sie kaum die Lücke füllen können, die Indiens Exportstopp aufreißt. Denn auch einige von ihnen leiden unter den klimatischen Umständen. Verschärfend kommt hinzu, dass Reis vielerorts als Substitut für ausbleibenden Nachschub an sonstigem Getreide aus der Ukraine genutzt wird.

Für den Einkauf wird die Beschaffung von Reis also teurer – unabhängig vom Lieferanten. „Früher wurde Reis für 550 US-Dollar pro Tonne gehandelt, jetzt liegen die Preise bei über 650 US-Dollar“, sagte Nitin Gupta, Senior Vice President von Olam Agri India Private Limited, einem der größten Reisexporteure Indiens, kürzlich gegenüber Al Jazeera.

Charoen Laothamatas, Präsident des thailändischen Verbandes der Reisexporteure, erklärte im August 2023 auf einer Pressekonferenz in Bangkok: „Der Weltmarkt ist wegen der Spekulationen auf allen Märkten sehr unruhig, was sich auf Länder auswirkt, die keine Lagerbestände haben.“ Die Preise für thailändische Reisausfuhren sind nach dem jüngsten indischen Exportverbot deutlich gestiegen.

Ähnliches trifft auch für Reis aus Vietnam zu. Importeure, darunter Indonesien und die Philippinen, zahlten jüngst zwischen 30 und 80 US-Dollar pro Tonne mehr als in den Verträgen stand, die vor dem indischen Exportverbot für rund 550 US-Dollar pro Tonne für duftenden vietnamesischen Reis unterzeichnet wurden, sagten in Singapur ansässige Händler gegenüber Reuters.

Der Klimawandel schlägt zu

Wie sich die Situation entwickelt, hängt abgesehen von den Nach- und Auswirkungen der Coronapandemie und des Ukrainekriegs von den klimatischen Bedingungen ab. Reisfelder in Asien sind besonders anfällig für El Niño, ein Klimaphänomen, das durch die Erwärmung der Oberflächengewässer im östlichen Pazifik verursacht wird und zu einer Zunahme sowohl starker Regenfälle als auch Dürren führt.

Klimaexperten sagen, dass es zusätzlich zu El Niño, der zwischen neun und zwölf Monaten andauern kann, extreme Wetterbedingungen aufgrund der globalen Erwärmung gibt.

Derzeit erwartet Indien eine normale Ernte von 135 Millionen Tonnen, aber August und September sind hinsichtlich der Niederschläge für Reis entscheidend, der zwischen Oktober und Dezember geerntet wird. Wenn der Regen ausbleibt, wird Indien eine Dürre erleben, die etwa 35 Prozent seiner Reisproduktion beeinträchtigen kann. Diese Ansicht vertritt – ebenfalls bei Al Jazeera –  Samarendu Mohanty, Regionaldirektorin für Asien am International Potato Center.

Gleichzeitig könnte es aufgrund der Erwärmung des Arabischen Meeres zu massiven Überschwemmungen in Pakistan kommen, sagen Klimaexperten, was zu Schäden an den dortigen Ernten führen könnte.

Der Höhepunkt der Erwärmung durch El Niño, der typischerweise von Dezember bis Februar auftritt, könnte sich auf Indiens nächste Ernte auswirken, für die die Aussaat zwischen Oktober und Dezember erfolgt.

 All dies verstärkt die Besorgnis der Reis produzierenden und exportierenden Länder – und sie beginnen, in Erwartung einer Knappheit Vorräte anzulegen. Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit noch höherer Preise.